Der Nordosten Indien: die sieben Schwesternstaaten

Indiens Nordosten, die sieben Schwesternstaaten sind sicherlich der unbekannte Teil von Indien. Geographisch sind diese Staaten östlich von Bangladesch und damit vom restlichen Indien mehr oder weniger isoliert. Auch die Sehenswürdigkeiten und die Mentalität der Menschen sind merklich anders. Indien ist nicht gleich Indien und der Nordosten schon gar nicht.

Geographische Lage: Östlich von Bangladesh und der Einfluss des Brahmaputra

Nach viel Zeit in Indien, einige davon habe ich auch dort gelebt, muss ich sagen: nichts ist wie der Nordosten. Hier ticken die Uhren ein wenig anders, die Menschen sind anders und auch die Städte unterscheiden sich.

Geographisch ist der Nordosten seit der Staatsgründung von Bangladesh (dem ehemaligen Ostbengalen) vom restlichen Indien ein wenig separiert. Zur britischen Kolonialzeit hießen alle sieben Bundesstaaten nur Assam. Inzwischen hat sich das geändert. Im Osten befindet man sich sehr dicht an Myanmar, im Norden an China und Bhutan.

Prägend ist der Brahmaputra Fluss, der die komplette Gegend durchzieht. In der Nähe des Flusses leben ein Großteil der Menschen, die meisten davon im Bundesstaat Assam (3/4 der Bevölkerung). Der große Rest der Bevölkerung lebt in den eher wenig entwickelten Staaten im Süden und Osten, hier gibt es viele Bewohner, die von Stammesvölker abstammen („tribal“). Noch zu erwähnen, sind die Bergregionen (Meghalaya, Nagaland) die größtenteils von christlichen Missionaren geprägt wurden.

Anreise über Guwahati und Assam

Dreh- und Angelpunkt um in den Nordosten zu kommen ist Guwahati, die Hauptstadt von Assam. Wer in den Nordosten reist, wird über Guwahati ankommen. Guwahati hat 800.000 Einwohner und ist damit für indische Verhältnisse eher klein. Auch der gesamte Nordosten ist eher spärlich besiedelt (45 Millionen Einwohner gesamt, im Vergleich dazu Mumbai 18 Millionen, Delhi 19 Millionen). Guwahati kann man von allen indischen Flughäfen erreichen, es gibt haufenweise innerindische Flüge hierhin. Einen Direktflug ab Deutschland wird man nicht kriegen, umsteigen in Delhi muss man auf jeden Fall. Guwahati ist das Tor zu allen anderen Bundesstaaten und Städten im Nordosten.

Guwahati ist am Ende eine etwas entspanntere Stadt, aber eben eine indische Stadt wie alle. Man hat keine großen Probleme mit den Taxifahrern oder Rikschas (das Gegenteil in allen anderen Städten). Hier findet man alles: vom eher traditionellen indischen Bazar, kleinen Gemüseverkäufern bis hin zu den modernen Kaufhäusern, Ketten, Einkaufzentren, riesige Kinos, Restaurants, Kaffeehäuser. Auch Hotels gibt es massenweise, in allen Preis- und Leistungskategorien. Orientieren kann man sich an der GS Road, die durch die komplette Stadt geht sowie dem Brahmaputra Fluss. Letztendlich ist Guwahati ein guter Einstieg für Indien.

Große Sehenswürdigkeiten gibt es in Guwahati nicht. Einige Tempel und Klosteranlagen (Umanada Tempel, Kamakhaya Tempel, Navagraha Tempel). Es mischen sich die heiligen Tempel der verschieden Religionen (Madhava Tempel, hier ging Buddha ins Nirvana, Pao Moschee, sehr wichtig für Muslime, aber auch das Hajo Pilgerzentrum, das mit fünf Tempeln für alle Religionen wichtig ist). Es gibt zudem drei Bazare in Guwahati: Paltan Bazar, Pan Bazaar und Fancy Bazar.

In der Umgebung gibt es drei Nationalparks: Manas Nationalpark (175 Kilometer von Guwahati), Probitora Nationalpark (40 km von Guwahati) und Kaziranga Nationalpark (217 km ab Guwahati).

Für Guwahati würde ich nicht allzu viel Zeit einplanen. 1 bis 2 Tage reichen aus, da kann man sich von der Anreise erholen, ein paar Tempel anschauen und bei Interesse ein paar Bazare oder Einkaufzentren besuchen.

Wirklich spannend ist die Frage, wohin man weiterreist.

Nationalparks Kaziranga und Mana

Die Fahrtstrecken sind lang, die Straßen leider nicht sehr gut, trotzdem sind die Nationalparks Kaziranga und Mana eine Reise wert. Von Guwahati sollte man für die Fahrt einen kompletten Tag rechnen. Es geht nach Guwahati die Berge hoch, Fahrzeuge kommen nur langsam voran und, auch wenn es wenig klingt, 200 Kilometer sind in Indien generell viel, hier ganz besonders. Je weiter man sich von Guwahati entfernt, desto schlechter werden die Straßen.

Es wird zunehmend ländlicher, es gibt keine typisch indischen Metropolen mehr, sondern eher „Dörfer“. Der Begriff Dorf ist ein wenig missverständlich, auch ein Dorf kann in Indien 200.000 Einwohner haben. Nach der Bevölkerungszahl sollte man nicht unbedingt gehen. Für Inder ist eine Stadt mit 5 Millionen Einwohnern eine Kleinstadt. Das Dorf definiert sich eher über eine schlechtere Infrastruktur, schlechte Straßen, schlechte Erreichbarkeit und wenig Hotelauswahl. Hier muss man Abstriche vom Standard machen, viele „westliche“ Dinge fehlen. Ein Beispiel ist warmes oder heißes Wasser. Das gibt es nicht überall, manchmal aber auch überraschend an Orten, an denen man es nie erwartet hätte. Man muss sich dennoch vor allem auf Abstriche bei der Hygiene gefasst machen.

Vor den großen Attraktionen gibt es dann wieder, auch das eher überraschend, gehobene oder bessere Hotels. Zielgruppe dieser Hotels sind reiche Inder, die letztendlich auch keinen geringeren Standard als Westler (also Europäer und Amerikaner) erwarten.

Wir haben uns letztendlich für Kaziranga entschieden – direkt am Brahmaputra Fluss, nur unweit von Bhutan entfernt. Nach Bhutan weiterreisen wäre sicher schön, gestaltet sich aber eher schwierig. Für Bhutan ein Visum zu erhalten ist recht schwer.

Hier geht es zu einem Artikel über den Kaziranga Nationalpark in Assam.

Der Bundesstaat Assam

Kaziranga ist noch am äußersten Rande, in Assam, dem bekanntesten der nordöstlichen Staaten. Zu Kolonialzeiten war Assam die Bezeichnung des gesamten Nordostens, inzwischen umfasst der Bundesstaat Assam ein deutlich kleineres Gebiet.

In Assam treffen vor allem zwei Ethnien aufeinander: die zugewanderten Bengalis und Stammensvölker („tribals“). Es gab Abspaltungen der Stammesvölker (Bsp. Nagaland und Meghalaya). Die Bundesstaaten in der heutigen Form bestehen seit 1972.

In Europa ist Assam vor allem für den gleichnamigen Tee bekannt. Dies ist eine der Touristenattraktionen der Gegend: Teefelder. Diese sind praktisch überall, hier befinden sich die größten zusammenhängenden Teefelder der Welt.

Außer Kaziranga und Mana, gibt es zwei kleinere Nationalparks sind Pobitora und Orang. Interessant ist der riesige und mächtige Brahmaputra Fluss, in Majuli befindet sich die größte Flussinsel der Welt.

Zu reisen ist hier problemlos möglich. Die Straßen sind zwar stellenweise nicht sehr gut, aber es passiert viel. Viel Bautätigkeit und Fortschritt erreicht die Region. Gerade um die Hauptattraktionen ist man auf Gäste eingestellt. Es gibt Fahrer, Jeeps für die Nationalparks und der Tourismus ist organisiert. Ich denke, man kann hier problemlos reisen, muss sich nur entscheiden, was man sehen will.

Meghalaya: Cherapunjee und Shillong

Ähnliches gilt für Meghalaya, dem Bundesstaat südlich von Assam mit der Hauptstadt Shillong. Sowohl Shillong als auch Cherapunjee (Sohra) sind Hauptziele für den (innerindischen) Tourismus. Informationen zu Cherapunjee gibt es hier.

Shillong wird „Schottland des Ostens“ genannt. Es gibt nebelverhangene Berge, aber auch Seen und alte viktorianische Gebäude. Der Ort war eine Hillstation der Briten. Der Shillong Peak auf über 1500 Meter Höhe bietet eine großartige Aussicht auf den Ward Lake. Zudem gibt es in der Gegend mehrere Wasserfälle (unter anderem den vierthöchsten der Welt: Nohkalikai Wasserfall).

Bengal, Sikkim und Darjeeling

Weitere Staaten, die oft zum Nordosten gezählt werden sind Sikkim, Bengal und die bekannte Stadt Darjeeling. All diese Orte liegen ein wenig weiter westlich, nicht östlich von Bangladesh und gehören auch nicht zu den sieben Schwestern. Daher behandele ich diese in einem extrem Themenblock Sikkim und Darjeeling.

Hier geht es zu den Artikeln über…

Sikkim
Kanchenjunga
Khecheopari
Darjeeling

Abseits von Assam und Meghalaya

Abseits der Bundesstaaten Assam und Meghalaya ist der Nordosten definitiv nur etwas für Abenteurer. Die ohnehin schlechten Straßen werden noch schlechter. Es wird schwer voran zu kommen, es gibt kaum noch Tourismus. Dafür gibt es aber immer wieder alte Stammesgegenden, in die man gar nicht oder nur mit Beschränkungen oder Sondergenehmigungen einreisen darf.

Arnuchal Pradesh: landschaftlich sicher einer der schönsten Bundesstaaten am Fuße des Himalaya bis hin zum Brahamputra Fluss der auch gerne Assam-Himalaya genannt wird. Religiös sehr gemischt, jedoch sehr schwer zugänglicher Bergstaat. Auch stark von der indigenen Bevölkerung geprägt obwohl China Teile des Staates beansprucht.
Nagaland: eine Gegend die hauptsächlich von indigenen Völker besiedelt wird (16 Stämme), die jedoch in großer Mehrheit christlich geprägt sind. Amtssprache ist Englisch, jeder Stamm hat eine eigene Sprache, untereinander sind nicht alle Sprachen kompatibel. Hier gibt es vier Nationalparks, aber quasi keine ausländischen Besucher. Einige Gebiete sind für Ausländer nicht zugänglich.

Manipur und Mizoram: der östlichste der sieben Schwesternstaaten und sein südlicher Nachbar bildet die Grenze zu Myanmar. Hier gibt es ein Gebirgskämme mit 3000er Bergen (Patkai Gebirge) aber auch Tiefebenen und Täler.

Touristisch gänzlich unerschlossen.

Tripura: angrenzend an Bangladesch Tal, ein eher kommunistischer Bundesstaat, weitestgehend unberührt vor allem landschaftlich attraktiv, per Flugzeug über die Hauptstadt Agartal ab Kalkutta zu erreichen.

Alle diese Bundesstaaten haben eines gemeinsam: Tourismus ist dort noch ganz in den Anfängen. Entsprechende Probleme der Erreichbarkeit und des Vorwärtskommens entstehen dadurch. Auch gibt es in all diesen Gegenden immer wieder Stammesgebiete, die besonders geschützt sind oder in die man gar nicht einreisen darf. Hier sollte man sich kurzfristig informieren, da sich das auch immer wieder ändern kann. Klar ist: für Indien Anfänger ist das hier nicht zu empfehlen, nur für Abenteurer. Dafür sieht man unberührte Natur, oft auch Bergregionen und Ausläufer des Himalayas.

Religiös unterscheiden sich die Staaten sehr: einige wurden in der Vergangenheit eifrig missioniert (so schlimm das auch sein mag!) und so gibt es drei weitestgehend christlich geprägte Bundesstaaten: Meghalaya, Nagaland und Mizoram. Die Einflüsse sind hier baptistisch.

Wer darüber nachdenkt einen dieser Bundesstaaten zu besuchen, sollte viel Zeit mitbringen, aber sich vor allem vorab überlegen mit welchem Standard man noch klar kommt. Damit meine ich Faktoren der Entwicklung eines Landes: Verfügbarkeit von Strom, fließend Wasser, Transportwege, Straßen, Hygiene usw.

Was unterscheidet den Nordosten von anderen Regionen Indiens?

Die kurze Antwort lautet vieles, alles im Grunde. Die Menschen hier sind deutlich entspannter, das Leben verläuft ruhiger und gelassener. Wir wurden in Ruhe gelassen, es lief uns niemand hinterher, es schrie niemand hinterher, man wird nicht an jeder Ecke abgezockt und es gab keine spürbaren Ressentiments gegen „die Weißen“.

Es gibt insgesamt weniger Touristen, daher befindet man sich nicht in so enormen Menschenmassen. Die Menschen machen einen freundlichen Eindruck, als ausländischer Gast wird man freundlich und ohne Vorurteile empfangen.

Ich wurde kaum (eigentlich nur einmal) ungefragt fotografiert, es hat mich niemand verfolgt und, das ist wirklich außergewöhnlich: es haben mich keine Männer angesprochen, angemacht, hartnäckig nach meiner Telefonnummer gefragt, mich angefasst, belästigt und genervt. Ich hatte als Frau meine Ruhe. Das hatte ich nirgendwo anders in Indien, und zwar wirklich nirgendwo, nicht mal in Goa.

Ich kann hier keine Garantien für allein reisende Frauen aussprechen. Aber meine Erfahrung hier war absolut positiv, ich habe das in Indien schon nicht mehr für möglich gehalten. Vorsichtig sollte man immer sein, aber hier habe ich mich tatsächlich sicher gefühlt.

Nicht nur für Frauen war es hier entspannter: auch mit den Rikscha Fahrern wurden wir schneller einig. Einkaufen ging einfacher, die vorgeschlagenen Preise für beispielsweise Wasser waren im Rahmen (natürlich immer etwas höher für Weiße, aber nicht dreimal so hoch wie der reguläre Preis). Am Bazar gab es feste Preise, die für mein Verständnis in Ordnung waren.

Und: es ist sauberer als in vielen Teilen Indiens. Auch das völlig unerwartet und überraschend. Es liegt weniger Müll auf den Straßen.

Auf politischer Ebene gibt es hier wohl immer wieder Unruhen und Unabhängigkeitsbestrebungen. Ich finde ich immer wieder Warnungen diesbezüglich online. Davon hab ich wenig mitbekommen. Ich denke, an dem Punkt hat man als europäischer Besucher eher weniger Problem, das ist wenn dann eher eine innerindische Angelegenheit.

Insgesamt bin ich positiv überrascht vom Nordosten. Ich hätte das so nicht erwartet.

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