Warum sollte ich nach Indien?

Nach all den negativen Einträgen, Warnungen und Hinweise ist ein positiver Artikel dringend fällig. Ich versuche Antworten auf die Frage zu finden: warum sollte ich nach Indien reisen?

Toleranz und gute Laune in völligem Chaos

Indien ist ein extrem tolerantes Land. Die Menschen sind gut gelaunt und freundlich. Es herrscht immer völliges Chaos, aber am Ende klappt alles irgendwie. Wir benötigen Pläne und Struktur im Tagesablauf. In Indien gibt es das nicht. Für uns ist es eine Lektion, die Zügel locker zu lassen, die Dinge laufen zu lassen und zu sehen was am Ende dabei rauskommt. Es ist nicht möglich alles zu kontrollieren und alles im Griff zu haben. Das spürt man in Indien ganz deutlich.

Land der Gegensätze

Indien ist ein Land der Gegensätze: arm gegen reich (auch sehr arm gegen sehr reich), verschiedenen Religionen (Hindu, Moslems, Christen, Buddhisten, Jain, Parsi, Sikh), unterschiedliche Identitäten (unterschiedliche Sprachen in den Bundesstaaten) und unterschiedlicher Lebensstile. Der Werbeslogan von Indien lautet „united in diversity“ – also vereinigt in Unterschiedlichkeit. Was das bedeutet, kann man sich erst vorstellen, wenn man dort war. Es herrscht größtenteils ein friedliches Miteinander von völlig unterschiedlichen Lebensstilen und Lebensvorstellungen.

Demut und Bescheidenheit

Indien macht demütig, man lernt viele Lektionen fürs eigene Leben. Mir wurde klar, wie dekadent wir teilweise leben. In Indien ist man froh über fließendes Wasser, für uns ist eine kalte Dusche eine Katastrophe. Inder sind oft viel glücklicher als wir, auch wenn sie viel weniger haben. Materielles ist nicht wichtig, um glücklich zu sein.

Kolonialisierung als Verbrechen an der Menschheit

Wir sehen was die Kolonialisierung, das große Verbrechen des Westens am Rest der Welt, gemacht hat. Den Indern wurde eine neue Sprache auf erzwungen (Englisch), es wurde ihnen gesagt, was richtig und was falsch ist. Richtig ist dabei natürlich nur der Vorstellung des Westens entsprechend, alles andere ist falsch. Dabei hat auch Indien seine Wege Dinge zu tun, von diesen Dingen können wir lernen. Es ist nicht alles besser im Westen und schlechter in Indien, oft ist es auch andersrum.

Armut

Was theoretisch klar ist: der Westen ist nur reich, weil andere arm sind. Das wird hier nochmal sehr deutlich. Es gibt auch extrem reiche Inder, aber eben auch Armut und Bettler in einem Ausmaß, wie wir das in Europa nicht kennen. Die Deutschen haben vergessen was Armut, wirkliche Armut, ist. Indien hilft einem, das zu lernen.

Umgang mit Emotionen

In Deutschland gibt es nur einen akzeptierten Umgang mit Emotionen: runterschlucken und nicht zeigen. Wer im Berufsleben emotional reagiert, beispielsweise mit Tränen, wird nie wieder ernst genommen. Emotionen kanalisieren wir beim Sport (vor allem Fußball), meist als Zuschauer oder bei großen öffentlichen Festen (Dinge wie Oktoberfest), sonst praktisch nie. Weitere gesellschaftlich akzeptierte Formen gibt es nicht. Emotional ist für uns negativ besetzt.

Nicht in Indien: hier reagiert jeder emotional, positiv wie negativ. Die komplette Gesellschaft funktioniert über Emotionen. Wenn es einem gelingt, sich darauf einzulassen ist das eine ganz krasse Erfahrung. Man lernt, das was in einem vorgeht, darf nach außen getragen werden. Ein völlig neues, völlig anderes Leben.

Effizienz und Langsamkeit

Wie heißt es so schön: die Entdeckung der Langsamkeit. In Indien gehen die Dinge langsamer, ganz allgemein aber auch ganz konkret. In Deutschland sind wir auf Effizienz, Schnelligkeit und die „keine Zeit“ Mentalität getrimmt. Langsam ist schlecht, ineffizient ist nervig. Indien ist eine Chance das zu überdenken, und anders zu leben.

Das Land läuft langsamer, ganz wörtlich alle gehen langsamer den Gehweg entlang. Wenn man hier versucht in „deutscher“ Geschwindigkeit entlang zu marschieren, ist das anstrengend, unnötig anstrengend und führt zu gar nichts. Besser langsamer machen, in der Geschwindigkeit agieren, in der das Land agiert. Es ist nicht schlimm, wenn Dinge länger brauchen und langsamer erledigt werden. Es ist sogar angenehm, Zeit zu haben und nicht immer in Hektik und unter Zeitdruck zu sein. Dafür muss man einiges an Ungeduld über Bord werfen.

Lebensfreude und Geduld

Es gibt einen Lebensstil außerhalb der westlichen Normen und Ideen. Dieser Lebensstil kann uns vieles beibringen, zum Beispiel Lebensfreude aber auch Geduld und Zufriedenheit. Das haben wir im Westen schon fast verlernt.

In Indien herrscht eine Lebensfreude, die unglaublich ist. Am deutlichsten wird das beim Tanzen. In Indien gibt es keine Nicht-Tänzer. Alle stürmen auf die Tanzfläche, keiner macht sich Gedanken, ob es peinlich ist und alle tanzen so wie sie gerade möchten. In einem Club wurde mal lauter mitgesungen als die Musik der Anlage gespielt hat. Sowas ist in Deutschland unvorstellbar. Hier warten immer alle, bis jemand die Tanzfläche eröffnet wird. Das gibt es in Indien nicht, da stürmen einfach alle los. Jeder tanzt, von jung bis alt und alle haben Spaß.

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